Frankfurter Rundschau, 11/1994

Von damals erzählend

 

Dick Heckstall-Smith und die Hamburg Blues Band

Auf die Frage, wie denn die Hamburg Blues Band und Dick Heckstall-Smith zusammengefunden hätten, rattert mir Gert Lange, Sänger und Gitarrist der Formation in der Garderobe des "Sinkkasten» eine schier endlose Liste mit Musikernamen herunter, über die der englische Saxophonist vor schließlich sechs Jahren an die Waterkant gelangt sei.

Dick Heckstall-Smith und die Hamburg Blues Band: eine wunderbare Mischung. Oder: Der Rock-, Blues- und Jazz-Opa (Jahrgang 1934) dreht mit den vieren noch einmal so richtig auf. Um die „Back to the roots"-Bewegung schert er sich dabei nicht - die Wurzeln" bildeten immer seine Basis, von denen aus er mit Größen wie Mick Jagger, John Mayall - man denke nur an die Bluessuite- „Bare Wires" -, Eric Clapton, John McLaughlin, Colosseum und Alexis Korner gespielt hat

Auf dem Kopf eine rote Baseball-Mütze, auf der Nase eine dieser schwarzgerahmten Einheitsbrillen, betritt der Engländer die Bühne.

Schon bei „Me and my woman" fegt das Multitalent mit Klangkaskaden die dröge Stimmung hinweg und ersetzt gemeinsam mit Gert Lange, Hans Wallbaum (Schlagzeug), Reginald Worthy (Baß) und Alex Conti (Gitarre) den Weihnachtsblues durch den echten und unverfälschten.„Real Stuff" heißt einer Ihrer Titel, der genau markiert, was da oben auf der Bühne vor sich geht. Vier Bluesmusiker haben ihren Meister gefunden, der sie lehrt, was „real stuff" bedeutet, der aber auch Ideen von ihrer Seite aufgreift und weiterentwickelt. Dick Heckstall-Smith fügt sich mit seiner von John Coltrane beeinflußten Technik hervorragend in das Quartett ein - wenn er damit nicht gar schon verschmolzen ist -, dient als Energiespender, muß sich jedoch nie in den Vordergrund spielen. Die vielen Geschichten, die durch sein Saxophon und seine Klarinette ins Publikum gelangen, handeln vom Blues und von den Tagen, als „Sythesizer" noch ein Fremdwort war. Es lohnt sich, genau hinzuhören, denn so wie er erzählen heute leider nur noch ganz wenige.  

VOLKER SCHÄFFER